Energie

Text: Henry Risse

ZKS - Arbeitsgruppe Energie
Der Klimawandel und die Endlichkeit fossiler Ressourcen erfordern deutliche Veränderungen in der Energieversorgung im Energieverbrauch und in der Art wie wir produzieren und leben. 
Im Rheinischen Revier leben 2,4 Mio. Menschen. Über Jahrzehnte war das Rheinische Revier mit mehr als 40 Tonnen CO2 Emissionen je Bürger alleine durch die Braunkohleverstromung eine der Regionen, die am stärksten zum Klimawandel beigetragen hat. Dazu kommen noch die großen Emissionen durch Gebäudenutzung, Verkehr, Industrie und Gewerbe. Wenn wir die Klimaziele auf die sich in Paris die Nationen dieser Welt verständigt haben einhalten wollen, dürfen wir 2050 ins-gesamt nicht mehr als 2 Tonnen CO2 je Bürger verursachen. Das macht die Größe unserer notwen-digen Anstrengungen deutlich. 
Der ZKS stellt sich diesen Herausforderungen und beteiligt sich auf verschiedenen Ebenen am nun beginnenden Umgestaltungsprozess. Im Folgenden werden Bausteine und Schritte auf dem Weg zunächst thesenartig aus Sicht des ZKS formuliert. Anschließend wird auf einige konkrete Felder näher eingegangen.
Wenn wir von jetzt 40 t im Rheinischen Revier auf 2 t CO2/Einwohner kommen wollen, bedeutet dies eine Reduzierung um 95%. Dies ist eine Größenordnung, die nicht ohne eine konsistente Stra-tegie zur Minderung der CO2-Emissionen zu bewältigen ist. Es müssen alle relevanten Bereiche wie Energieerzeugung, Industrie, Mobilität und Wärme stringent eingebunden werden. Die Investitionstätigkeit in diesen drei Sektoren und den verbundenen nachgeordneten Bereichen muss daher konsequent an dem formulierten Klimaziel ausgerichtet werden. 
Die wesentlichste Säule zur Erreichung der CO2-Minderungsziele ist der konsequente Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE). Während im Bereich Strom schon ein respektabler Stand erreicht wurde, steht man in den Bereichen Industrie, Wärmeerzeugung und insbesondere Mobilität noch ganz am Anfang. Besonders vor dem Hintergrund, dass Wärme mehr als 60% des Primärenergiebe-darfes ausmacht, wird die Größe der Aufgabe deutlich. Die Mobilität und der Gütertransport beru-hen bis auf den Schienenfernverkehr fast ausschließlich auf ölbasierten Kraftstoffen. 
Da EE insbesondere im Bereich Mobilität und Industrie für viele Anwendungen nicht direkt einsetz-bar sind, muss der Ausbau der EE zur Verwendung in der Sektorkopplung weiter vorangetrieben werden. Deckelungen von Ausbauzielen z.B. bei PV oder die aktuell angedachten stringenten Restriktionen beim Ausbau der Windkraft wirken geradezu anachronistisch und müssen nicht nur aus Sicht des ZKS schnellstens aufgehoben werden.
Um die Emissionsminderungsziele zu erreichen, müssen die Randbedingungen (regulatorisch, ge-nehmigungstechnisch, Netzzugang) für den Ausbau der PV und Solarthermie deutlich verbessert sowie Freiräume für die Implementation innovativer Lösungen (z.B. Kombinationen PV und Agrarnutzung) eingeräumt werden. 
Eine Priorisierung der Maßnahmen beim Ausbau der EE muss mit Blick auf eine schnell wirksame Reduzierung der CO2-Emissionen erfolgen. Hierbei hat besonders die Reduzierung des Einsatzes von Braunkohle eine besonders große Hebelwirkung, so dass die im Kohlekompromiss festgelegten Zwischenziele als Mindestanforderungen anzusehen und mindestens wie vereinbart 1 : 1 ggf. in kürzerer Abfolge umzusetzen sind. 
Weiterhin muss eine möglichst direkte und verlustarme Anwendung der erzeugten EE angestrebt werden. Dies bedeutet Priorisierung des Netzzuganges für EE, die diskriminierungsfreie Eigennutzung von EE sowie eine zeitlich eher nachrangige Nutzung von stark verlustbehafteten Umwandlungstechnologien. 
Der Ausbau der EE muss einher gehen mit der Anpassung, Förderung und Priorisierung der gebäudeintegrierten EE-Erzeugung und Nutzung, was durch Anpassung der relevanten Vorschriften und Normen unterstützt werden kann /muss (Landesbauordnung, Satzungen usw.)
Insbesondere mit Blick auf die Reduzierung des Primärenergieeinsatzes im Wärmesektor sind innovative Lösungen und Systeme zur Abwärmenutzung und KWK(K)-Kopplung bei Neubau und Sanierung zu priorisieren und bauordnungsrechtlich zu fixieren.
Die CO2-Minderungsziele müssen flankiert werden durch substanzielle Maßnahmen zur Erhöhung der Nutzungseffizienz und Suffizienz. Dies bedarf zumeist sehr intensivier und individueller Pla-nungs- und Maßnahmenprozesse, die durch geeignete Fördermaßnahmen unterstützt werden müssen. Die Erhöhung der Energieeffizienz im industriellen Bereich ist ein ganz wesentlicher Bestandteil bzw. Notwendigkeit zur Erreichung der Klimaziele und einer weitestgehend emissions-freien Stromerzeugung. 

Ausbau der Windenergie
Im Rheinische Revier befinden sich im Bereich der drei Großtagebaue sehr große Flächen, für die in den nächsten zwei Jahrzehnten neue Nutzungen gefunden werden müssen. Diese Flächen, die weit von Siedlungen entfernt sind und zum Großteil devastierte Landschaften darstellen, müssen prioritär und intensiv für den Ausbau der EE genutzt werden. Allein auf dem schon bisher und noch zukünftig rekultivierten Flächen am TB Garzweiler besteht die Möglichkeit, mindesten 1 GW an zusätzlicher Windkraftkapazität aufzubauen. 
Analog bestehen große Windenergie-Potenziale auf den Rekultivierungsflächen des TB Inden, ins-besondere auf der neu aufgetürmten Außenkippe neben der Sophienhöhe am TB Hambach sowie an den Böschungsrändern um den TB Restsee Hambach herum. 

Ausbau der PV
Im Rekultivierungsgebiet des TB Garzweiler sind ca. 20 bis 30 km² Fläche landwirtschaftlich zu rekul-tivieren, wobei die Böden nach der Rekultivierung qualitativ nicht den ursprünglich vorhandenen sehr hochwertigen Lößböden entsprechen werden. Eine Pilotregion für Agro-PV mit kombinierter landwirtschaftlicher und energetischer Nutzung könnte bevorzugt parallel zur A44/A46 hier entste-hen. Selbst bei einer nur geringen Flächenbelegung durch hoch aufgeständerte PV kann hier eine Potential von 250 MW für Agro-PV erschlossen werden. 
An den Böschungen des TB Hambach, speziell an der Böschung zur Außenkippe hin besteht das Potenzial auf ca. 9 km² ca. 1,2 GW PV Kapazität aufzubauen. Zusammen mit dem oben genannten 1 GW Wind am TB Garzweiler entstünde somit eine installierte Kapazität, die zwei BoA-Blöcken ent-sprechen würden. Zum Ausgleich der täglichen und meteorologisch bedingten Schwankungen der Erzeugungskapazität ist es allerdings notwendig, Speicherkapazitäten im GW-Bereich aufzubauen.
Wenn in NRW ein Dachflächenpotenzial von 68 GW besteht, so sollte eine Zielmarke sein, davon mindestens 10% im Rheinischen Revier zu erschließen. 

Erneuerbare Wärme
Der Einsatz solarer Wärme kann sowohl im Bereich EFH und MFH ausgebaut werden, das größere Potenzial erschließt sich jedoch im Bereich der Erschließung kompletter Wohngebiete und Bestandssiedlungen. Hier kann auf zahlreiche Beispiele insbesondere aus Dänemark zurückgegriffen werden, wo große Solarfelder mit Nahwärmnetzen und Saisonwärmespeichern kombiniert wur-den. 
Im EFH und MFH-Bereich sind sog. Solarhäuser eine seit mindestens 15 Jahren funktionable und wirtschaftlich interessante Lösung. Solarhäuser nutzen die bevorzugt nach Süden ausgerichteten Dächer, um im Sommer große Wärmemengen in große im Haus integrierte Wärmespeicher aufzunehmen, die im Winter für die Beheizung und Warmwasserbereitung eingesetzt werden.

Abwärmenutzung
Im Rheinischen Revier sind zahlreiche Unternehmen angesiedelt, in denen sehr große Abwärmemengen anfallen. Dazu zählen insbesondere die Papierfabriken im Raum Düren, Zülpich, Sinzenich, Hürth sowie ein Großteil der Chemieunternehmen (Raffinerien) im Raum Hürth, Köln, Dormagen, Krefeld. 
Die Stadt Hürth ist dabei ein vorbildgebendes Beispiel wo bereits 50% der Wärmeversorgung über industrielle Abwärme und KWK erfolgt. Die Nutzung der Abwärme insbesondere z.B. der Papierfabriken in Raum Düren könnte mit Abwärmeleistungen im Multi-Megawatt Bereich entscheidend dazu beitragen, die Wärmeversorgung privat und kommunal zu einem Großteil auf Abwärme um-zustellen. Voraussetzung ist der Ausbau von Nahwärmenetzen. Weiterhin ist für die Erschließung niederkalorischer Abwärme die Integration geeigneter Wärmepumpen in das Gesamtsystem notwendig.
Ein weiterer Schwerpunkt der Abwärmenutzung kann und muss die Abwärme von neuen Backup-Gaskraftwerken sein, die bei Dunkelflaute die Versorgungssicherheit im Stromsektor schaffen. Dies produzieren selbst bei Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerken (GuD) immer noch Abwärmeleistungen im Bereich mehrerer 100 MW, wenn auch auf niedrigem Temperaturniveau. Hier soll und muss eine Kopplung an /in Wärmenetze erfolgen bevorzugt über Großspeicher und ggf. Großwärmepumpen erfolgen. Die Kopplung an Wärmenetze ist insbesondere notwendig, um die Energie des eingesetzten Brennstoffes vollständig zu nutzen und die CO2-Emissionen der Wärmeversorgung ebenfalls zu minimieren.

Energieeffizienz und Suffizienz
Frage nach dem effektiven Energieeinsatz und effektiver Energienutzung, in der Studie vom Wuppertalinstut wurde in NRW insgesamt ein Einsparpotential im GW-Bereich identifiziert. Dieses muss systematisch gehoben werden. Die Erhöhung der Energieeffizienz unterstützt die notwendigen Anstrengungen um Emissionsminderung und Maximierung der EE-Deckungsgrade. 
Dabei müssen insbesondere Reboundeffekte vermieden werden, die durch Marktmechanismen leider begünstigt werden.
Die Frage nach der Suffizienz geht weiter, hier steht die grundsätzliche Frage im Raum, ob der jeweilige energieverbrauchende Prozesse generell notwendig ist, ob wir im Rahmen der ökologischen Obergrenzen für Material- und Energieeinsatz andere Wege des Wirtschaftens gehen müssen. 

Energiespeicherung
Dem Ausbau der Speicherkapazitäten kommt eine zentrale Bedeutung beim Übergang von einer fossil basierten hin zu einer regenerativen Energiewirtschaft. Im System aus PV, Wind, Biogas und Wasserkraft als wichtigste Säulen werden Kurzzeitspeicher aber vor allem auch Speicher für die Mittellast benötigt. Die Notwendigkeit insbesondere auch von Mittellast und Tag/Nachtspeichern verdeutlichen die folgenden Abbildung.
Während bisher die Notwendigkeit von Speichern aufgrund von Überkapazitäten bei der Erzeugung recht gering ist, wird sich das Bild mit Rücknahme der fossilen Grundlast und dem Ausbau der EE-Kapazitäten deutlich verändern.

Diagramm: Verbrauch sowie Hochrechnung Stromerzeugung unter Berücksichtigung der Ausbauraten für einzelne EE (eigene Darstellung, Datengrundlage: Agora)




Insbesondere beim notwendigen und zu erwartenden starken Ausbau der PV sind an windschwachen Tagen zwischen Tag und Nacht Unterschiede in der EE-Erzeugung von ca. 30 bis 50 GW in Deutschland insgesamt zu erwarten. Auch wenn die Schwankungen durch andere Effekte und Maßnahmen in der Praxis geringer sein sollten, bedeutet dies, das einige hundert GWh tagsüber eingespeichert und abends/nachts/morgens ins Netz eingespeist werden müssen. Die Speicherbetriebszeiten sind mit 8 bis 12 h deutlich länger im Vergleich zu klassischen Pumpspeicher-Kraftwerken, die nur 2 bis 4 h/d arbeiten. Zudem sind die Zeiten der Einspeisung und Ausspeisung um ca. 8 bis 12 versetzt zum bisher üblichen Betrieb.
Für derartig große erzeugte und zu speichernde Energiemengen müssen zukünftig alle Optionen genutzt werden. Batteriespeicher kommen vor allem auf der Verbraucherebene und in Kombination mit mittelgroßen EE-Anlagen (PV) infrage. Hier müssen EE-Anlagen und Speicher in Zukunft im Zusammenhang gedacht und konzipiert werden, um insbesondere die Erzeugungsspitzen in den Mittagsstunden (PV) zu puffern und auch starke Schwankungen der Erzeugung z.B. bei rasch wech-selnder Bewölkung und starken Wechseln der Windintensität. 
Die klassische Energiespeicherlösung in Form von Pumpspeicherkraftwerken gewinnt bei Nutzung als Mittellastkraftwerk wieder an Attraktivität, da zukünftig längere Betriebszeiten zu erwarten sind (Tag-/Nachausgleich) und geringere Spitzenleistungen je Anlage. Pumpspeicherkraftwerke sind eine bekannte bestens bewährte Technologie, die weitestgehend ohne seltene Materialien bzw. knappe Rohstoffe auskommt. Deren Wirkungsgrade sind mit knapp 80% in Summe von Pumpzyklus + Turbinenzyklus unerreicht sowie deren Langlebigkeit mit bis zu 100 Jahren unübertroffen.
Im Rheinischen Revier würden sich die der Tagebaue prinzipiell als Standorte für Pumpspeicherkraftwerke anbieten, beim Tagebau Inden wäre ein potentielles Oberwasser mit dem Lucheberger See bereits vorhanden, der Untersee wäre ein abgetrennter Bereich vom Restsee. 
Das mit Abstand größte Potenzial für Pumpspeicherkraftwerke bietet der Tagebau Hambach, wenn dort auf der neuen Außenkippe ca. 200 m über dem Niveau der umliegenden Landschaft ein oder mehrere Oberbecken errichtet würde(n). Der sehr große Restsee des TB Hambach fungiert als Unterbecken. Dessen Wasserspiegel würde je Zyklus nur um wenige Zentimeter schwanken. Hier besteht das Potenzial mehr als 7 GWh zu speichern bzw. bei Bedarf ins Netz zu geben.

Umweltfreundliche Mobilität
Mit der Umgestaltung im Rheinischen Revier bietet sich auch die Chance, die Mobilität zukunftsfähiger zu gestalten. Dies betrifft zum Einen die Wiederherstellung von Verkehrsverbindungen, die durch die Tagebaue unterbrochen wurden – damit auch Beziehungen der Orte untereinander um die Tagebaufelder herum (TB Garzweiler). Ganz zentral sollte jedoch sein, dass die OPNV-Relationen weiterentwickelt und deutlich gestärkt werden. Dabei bieten die vorhanden Kohlebahnen die Chance, neue Relationen aufzubauen insbesondere im Umfeld des TB Hambach. Aber auch eine RegioTram von Jülich in Richtung Mönchengladbach erschließt viele bisher nur stiefmütterlich vom ÖPNV erreichten Orte und verbessert die Erreichbarkeit des ländlichen Raumes mit MG und AC.
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